Seine Freunde waren die Poeten: zum Tod des
Literaturvermittlers Klaus-Peter Herbach
Von Michael Schulte
Ich weiß nicht mehr, wann und unter welchen Umständen ich ihn kennen
gelernt habe. Es scheint mir nun, als sei er irgendwie schon immer da und dabei
gewesen – auch für mich. Und ich war bestimmt nicht der Einzige. Ich kannte
keinen anderen, dessen Lebensinhalt so sehr von dem Wunsch geprägt war, für
andere da zu sein, ohne eine Gegenleistung zu erwarten – und meistens ohne eine
zu erhalten. Es ging ihm um die Literatur, um die Förderung der Literatur, was
gleichzusetzen war mit der Förderung der Autoren, von denen er unendlich viele
kannte. Hätte Klaus-Peter Herbach eine Autobiografie geschrieben, sie hätte
heißen müssen wie die von Hermann Kesten „Meine Freunde, die Poeten“.
Während der fast vier Jahrzehnte, in denen ich mit ihm befreundet war, habe ich
nie jemanden schlecht über ihn sprechen oder auch nur eine abfällige Bemerkung
äußern hören. Das lag nicht allein an seinem freundlichen Wesen, an seiner
Toleranz und seinem Humor, sondern zu einem beträchtlichen Teil auch am Mangel
einer Eigenschaft, die gerade in Künstlerkreisen heftig verbreitet ist: K.P. –
wie er liebevoll genannt wurde – kannte keinen Neid. Im Gegenteil, hatten
andere Erfolg, freute er sich umso mehr, wenn es ihm gelungen war, auf seine
Weise zu dem Erfolg beigetragen zu haben.
Er kam am 12. März 1944 in Ostpreußen zur Welt, wohin die aus Berlin stammende
Familie kurz zuvor evakuiert worden war. Doch schon wenige Wochen nach seiner
Geburt zog man wieder in die Hauptstadt. Er hat es fast als Makel empfunden,
nicht in Berlin geboren worden zu sein. Es ist klar, dass er nur in Berlin
werden konnte, was er wurde. Er verdankte Berlin so viel, wie Berlin ihm
verdankt.
Als junger Mann arbeitet er zunächst bei Wolfgang Neuss im Reichskabarett –
nicht auf der Bühne; das Rampenlicht lag ihm nicht. Er war das, was man Mädchen
für alles nennt, das heißt, wenn etwas schief ging, war er schuld, wenn alles
gelang, heimsten andere das Lob ein. Dann studierte er Literaturwissenschaft
bei Walter Höllerer an der TU, ohne einen Abschluss zu machen. Er wollte
praxisnäher arbeiten und erlernte bei Kiepert den Beruf des Buchhändlers, ein
Beruf, in dem es ihn, auch nach abgeschlossener Lehre nicht lange hielt. Die
nächste Station war ein Redaktionsposten bei der angesehenen
Literaturzeitschrift „Litfass“. Schon während dieser Zeit knüpfte er Kontakte
zur Akademie der Künste, deren Pressesprecher er schließlich wurde.
Er machte diese Arbeit gerne, doch sein Herz gehörte einer zeitaufwendigen und
oft nervenaufreibenden Nebentätigkeit. Seit 1966 war er für die
Programmgestaltung des Arbeitskreises Berliner Jungbuchhändler – vulgo
Buchhändlerkeller – verantwortlich. Damals war der Veranstaltungsort noch in
der Görresstraße in Friedenau, ehe man 1979 in die Carmerstraße zog. Die
Lesungen jeden Donnerstag mit anschließendem Kneipenbesuch sind seitdem eine
Berliner Institution. Herbach machte diese Arbeit ehrenamtlich, liebevoll und
freundschaftlich unterstützt von Klaus Schürmann. Nach einem Herzinfarkt vor
gut zehn Jahren – das Herz versagte ihm auch in der Nacht zum Montag den Dienst
– konnte er seinen Akademiejob nur noch mit verminderter Kraft ausführen. Keine
Schonung auferlegt hat er sich, wenn es um den Buchhändlerkeller ging. 1997
eröffnete er zusammen mit Axel Haase am Kurfürstendamm eine literarische
Agentur. Ein neues Betätigungsfeld, wie geschaffen für ihn: Er konnte seine
Kontakte nutzen und Autoren zum Erfolg verhelfen.
Ich weiß nicht, ob es ein Jenseits gibt. Falls ja – ich kann mir K.P. weder in
der Hölle noch im Himmel vorstellen. Ihm angemessen wäre ein Zwischenreich. Ich
glaube, da ist er jetzt, in Gespräche vertieft mit E.T.A. Hoffmann, Paul
Scheerbart oder Peter Hille. Aus dem Hintergrund erklingt Musik: Harpo Marx
spielt ein melancholisches Harfensolo.
Der Autor, 1941 in München geboren, lebt als Schriftsteller in Sterup-
Grünholz und ist mit Büchern wie „Führerscheinprüfung in New Mexico“ (1986) und
„Zitroneneis“ (1996 ) bekannt geworden.